Auf den Spuren des Kakaos

Der zehnte Tag unserer Nicaragua-Exkursion stand ganz im Zeichen des Kakaos. Nach einer kühlen Nacht in den Bergen von Matagalpa machten wir uns zusammen mit unserem Gastgeber, Dolmetscher und Entertainer Jürgen auf in Richtung Rancho Grande.

Der Weg dorthin führte uns über kurvenreiche Bergstraßen und verschlafene Dörfchen immer tiefer in das feucht-tropische Hochland im Herzen Nicaraguas. Die letzten Kilometer glichen eher einer holprigen Schotterpiste als asphaltierter Straße,  aber unseren Fahrer Francisco konnte so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Viele Schlaglöcher und Übelkeitsanfälle später erreichten wir endlich unser Ziel: Rancho Grande. Das kleine Dorf und die dort ansässigen Kleinbauern haben sich in den letzten Jahren immer mehr dem Kakao verschrieben. Rittersport betreibt dort eine kleine Finca und nutzt die perfekten klimatischen Bedingungen, um Veredlungsmaterialien zu züchten.

Auf unserer Entdeckungstour durch das knapp 4,5 Hektar große Gelände tauchten wir mit unserem Guide immer tiefer in Welt des Kakaos ein. Neben der ein oder anderen Kostprobe erfuhren wir auch allerhand über die Arbeitsmethoden der Finca: Für die Veredelung, einer in der Landwirtschaft sehr gängige Methode, werden Pflanzen mit möglichst vielen Trieben bzw. Ästen gezüchtet, und Früchte werden entfernt. Ganze 27 Sorten werden dort veredelt bzw. gezüchtet, wobei das Hauptaugenmerk auf die gängigsten Standardsorten gelegt wird. Bis zur reifen Kakaofrucht, die als erste Währung der indigenen Bevölkerung gilt, braucht ganze 4 Monate Wachstumszeit. Die rund 4,5 Hektar großen Plantage wird von 6 Mitarbeitern bewirtschaftet, die direkt von Rittersport angeworben und ausgebildet wurden.

Generell erfreut sich der Kakao in Nicaragua immer größerer Beliebtheit, viele der Kaffeebauern wechseln in den ertragreichen Kakaoanbau. Vor allem die globale Marktlage und die stetig steigende Preise machen das Geschäft mit der Bohne besonders attraktiv. Dieser Umstand hat auch positive Auswirkungen auf die Umwelt, denn – im Gegensatz zur Kaffeepflanze- ist der Anbau von Kakao relativ nachhaltig und ökologisch unbedenklich.

Wie wichtig der Kakaoanbau für die Menschen in der Umgebung ist zeigt sich auch beim Besuch der Kakao-Kooperative von Rancho Grande, die sich gegenüber befindet. Die knapp 500 Kleinbauern der Umgebung haben sich zusammengeschlossen und produzieren dort Kakaobohnen exklusiv für Rittersport. Vor Ort werden die braunen Bohnen getrocknet, fermentiert und anschließend zu Rittersport transportiert. Auf diese Weise werden ganze 170 Tonnen Kakao pro Jahr produziert. Mit 24 fest angestellten Mitarbeitern – der Löwenanteil wie so oft männlich – ist die Kooperative ein wichtiger Arbeitgeber in der ländlichen Gegend. Besonders stolz ist unser Guide auf die Qualität der Ware – nur um die 7 Prozent Ausschuss gibt es jährlich.


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Video Kakao:

 

Die Big Five und Kakao- ein teilweise satirischer Beitrag

Fast zeitgleich läuten frühmorgens die Wecker der ExkursionsteilnehmerInnen, denn wir müssen rechtzeitig die Fähre von Moyogalpa nach San Jorge erwischen. Mit unserem stets bemühten Busfahrer Francisco (und seiner wackeligen Schildkröte am Amaturenbrett) sind wir uns sicher, einen Platz auf der Fähre zu bekommen. Am Hafen angekommen stellt sich jedoch heraus, dass es organisatorische Schwierigkeiten gibt.  Nach 5! Stunden Wartezeit in der prallen Sonne, sowie einigen mehr oder weniger intellektuellen Gesprächen mit den KollegInnen, schaffen wir es endlich auf die Fähre.Fähre

 

Was die Benützung der Verkehrsmittel mit der Exkursionsgruppe 2016 betrifft, so ist eines fix: es wird nie langweilig. Schon gar nicht auf hoher See…..

Folgende (satirische) Personenbeschreibungen treffen auf so manch einen/eine der Gruppe zu:

  1. Der Konzentrierte: versucht sich schon vor der Abfahrt „zu sammeln“, denn „sein Körper ist sein Tempel“. Im Trancezustand starrt er über 2 Stunden auf einen Punkt und sieht dabei mitgenommener aus als andere, die am Vortag übermäßig viel Alkohol konsumiert haben. Aber Hut ab! Er hat es ohne Tabletten und Speibkübel auf die Insel Ometepe geschafft.
  2. Die Apothekerin: verteilt schon Stunden vor der Fahrt kiloweise Medikamente gegen Übelkeit, Schmerzen und Angstzustände. Aber aufpassen: zuvor noch einen Magenschutz gegen die Nebenwirkungen einnehmen!
  3. Der Kuschler: nutzt die Schiffsfahrt nicht nur für die Foto- und Filmaufnahme, sondern auch um dem Lehrveranstaltungsleiter unbemerkt näher zu kommen…Robert und Werner
  4. Die Krabbenfrau: durch die Anti- Speib Tablette müde geworden, schläft sie ohne Sonnenschutz auf Deck ein und verpasst sich somit ein rotes gratis Permanent Make- Up (zumindest für die drei darauffolgenden Tage)
  5. Die Kübelfrau: weil sie die Ratschläge der Apothekerin nicht annehmen möchte, begibt sie sich auf die Fähre ohne ein Mittel gegen Reiseübelkeit eingenommen zu haben. Dies bereut sie kurz darauf, als sie vor einem orangen Kübel sitzt und dabei von so manch einem ausgelacht wird…Letztendlich hilft dann wirklich nur ein Medikament und eine gewisse Dosis Humor.

Nach einer, wie man erkennen kann, ereignisreichen Fahrt am Nicaraguasee, konnte die Gruppe einen Einblick in die Ritter Sport Manufaktur in Matagalpa gewinnen. Seit 1990 wird in Nicaragua Kakao für die Schokoladenherstellung gekauft und insgesamt 4500 Kleinbauern und 19 Kooperativen sind an diesem Geschäft beteiligt. In dieser Manufaktur werden die Kakaobohnen für die weitere Verarbeitung vorbereitet. Der Geschäftsführer der Fabrik führt uns durch die verschiedenen Stationen und zeigt uns, wie die Qualität der Bohnen überprüft werden kann (inklusive bitterer Verkostung).  Im Anschluss daran wird der Abend auf der idyllischen Finca von Jürgen Marienscheck, umgeben von einem Nebelwald, ausgeklungen.

 

Theresa Kaltenbrunner

 

 

 

 

 

 

 

LEON – CHICHIGALPA – GRANADA

Abreisetag aus Leon. Das heißt lange Busfahrten und ein Zwischenstop in Chichigalpa, wo wir ein technisches Ausbildungszentrum besuchten, ein Projekt von den „tiefer Reisenden“ Robert Bichler und Eva Gaderer. Am Abend checkten wir dann in Granada ein.

Das Zwischenfazit der Studierenden zu Leon ergab durchwegs positive Rückmeldungen:

 

CeTeCh – Kommunalentwicklung durch technische Ausbildung

CeTeCh (Centro de Capacitación Técnico Chichigalpa) ist ein dreijähriges Projekt in Chichigalpa mit dem Ziel der kommunalen Entwicklung und soll einen Beitrag zur Armutsbekämpfung innerhalb der ländlichen Bevölkerung leisten. Grundlage dafür ist ein Ausbildungszentrum speziell für marginalisierte Jugendliche. Chichigalpa ist eine Stadt, die von der Pellasfamilie dominiert wird. Als Zentrum für die Rumproduktion (Flor de Cana) gibt es für die Menschen dort nicht viele Möglichkeiten Geld zu verdienen außer auf den Zuckerrohrplantagen. Was an sich kein Problem darstellen würde, wären die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung fair. Zu den schlechten Arbeitsbedingungen gibt es einen Blogpost von der 1. Exkursion. CeTeCh bietet den Jugendlichen in diesem Ausbildungszentrum die Möglichkeit, sich für alternative Berufe ausbilden zu lassen. Man lernt dort entweder technisches Schweißen, Elektrotechnik oder die Entwicklung von Solarpanelen. Neben der technischen Ausbildung werden die SchülerInnen in Englisch, Gesundheit und Umweltschutz unterrichtet. Dadurch soll also die Jugendarbeitslosigkeit verringert werden und unter anderem auch ein verbessertes Umweltbewusstsein bei den SchülerInnen entstehen. Ein weiteres wesentliches Ziel ist die Motivierung von Frauen für die technischen Berufen, um auch ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen.

Das Projekt befindet sich derzeit im zweiten  Jahr. Durch die enge Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen wie Asdecosi und Chica Nicaragua soll die Nachhaltigkeit garantiert werden, um auch im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe, ein Weiterbestehen des Ausbildungszentrums nach den drei Jahren zu ermöglichen.

Kathrin

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Chichigalpa-Video:

Conny

Abwasch in Nicaragua

In Nicaragua findet man häufig diese dreigeteilten Waschbecken, mit denen man als EuropäerIn zunächst nichts anfangen kann. In der Mitte befindet sich ein Becken gefüllt mit frischem Wasser und links und rechts davon ist quasi der Abwaschbereich. Da sich das frische Wasser bereits im mittleren Becken befindet, muss man nie einen Wasserhahn aufdrehen. Das spart Wasser. Zum Händewaschen bzw. Abwaschen wird dann mit Hilfe eines Schöpfers das Wasser aus dem mittleren Bereich geschöpft und links oder recht zum spülen verwendet. Man sollte dabei darauf achten das frische Wasser nicht zu verschmutzen. Eigentlich ganz clever  🙂

Kathrin

Die Nachbeben der Kolonialisierung

Nach vier Tagen in León führt uns unser Field Trip weiter ins lebhafte Granada.

Granada ist anders. An jeder Straßenecke versprüht die Stadt ihre Energie aufs Neue, geprägt vom Tourismus und ihrer Vergangenheit als älteste spanische Kolonie Nicaraguas. Mit rund 79.000 Einwohnern pulsiert Nicaraguas drittgrößte Stadt am Fuße des Mombacho. La gran Sultana, zu deutsch „die große Rosine“, wird Granada von den BewohnerInnen genannt – eine Metapher, die nur schwer nachvollziehbar ist. Anstatt klein und unscheinbar zu sein, präsentiert sich Granada hübsch herausgeputzt im bunten Kolonialstil und lockt vor allem US-amerikanische TouristInnen ins Land. Nach dem liberalen und alternativen León waren wir mit Granada erstmal ein wenig überfordert — laute Musik und hohe Preise geben hier den Ton an.

Granada Life
Am Hauptplatz von Granada herrscht reges Treiben.

Vermutlich ist es genau so, wie es im Reiseführer von Lonely Planet geschrieben steht: „Most people fall in love with Granada, but they leave their heart in León“.

Granada
Mit Pferdekutschen werden TouristInnen durch die Straßen Granadas kutschiert.

Las Isletas – wo sich Affen und Wohlhabende gute Nacht sagen

Ein Hingucker in Granada sind die Las Isletas. Diese 365 kleinen Insel entstanden nach einem Vulkanausbruch und lassen sowohl Touristen, als auch Einwohner durch ihre vielfältige Flora und Fauna ins Staunen geraten. Die meisten Inseln sind in Privatbesitz. Die reichsten der Reichen haben sich hier ihre Ferienhäuser gebaut. Bald macht ein neues Hotel auf – es soll die teuerste Unterkunft Nicaraguas werden.

Las Isletas
Durch einen Vulkanausbruch ist der Lago de Nicaragua um 365 kleine Inseln reicher geworden.
Die Affeninsel
Eine der Isletas gehört ganz den Affen. Die anderen InselbewohnerInnen haben allen Affen einen Namen gegeben. Im Bild: “Michael Jackson”.
Inselleben
Viele Inseln gehören wohlhabenden Wochenend-Urlaubern.

A “White Man’s” Mission

So schön die Las Isletas auch sind – in Erinnerung bleiben wird mir vor allem unser Besuch bei Radio Volcan. Vor einem Jahr konnte man auf unserem Reiseblog noch lesen, dass es niemanden gäbe, der diesem Radiosender sagen kann, „was er zu tun und lassen hat“. Besonders stolz war Radio Volcan damals auf seine Unabhängigkeit. Heute ist Radio Volcan ein Beispiel dafür, wie einst nichtkommerzielle Community Radios am kommerziellen Druck zerbrechen können. Bereits beim Betreten des Studios fiel uns auf, dass alles unerwartet modern und professionell aussieht. Skepsis kam auch auf, als uns der Moderator erklärte, dass sie Kooperationen mit Claro haben, einem großen nicaraguanischen Mobilfunkanbieter. Dass sich das Radio grundlegend verändert hat wurde uns spätestens dann klar, als ein junger US-Amerikaner namens „El Che“ im Studio auftauchte. Mit seiner Radiostation in Miami ist der Ex-Fussballprofi bereits am US-Markt erfolgreich. Nun lebt er in Granada und zieht die Fäden bei Radio Volcan. Seine Absichten erschienen uns zweifelhaft, sein Verständnis vom Radiomachen war ganz offensichtlich kommerziell. In Nicaragua sieht er bisher unentdecktes Potential: „When you have an idea and you want to exploit it, Nicaragua is the place to be“, erklärt er uns stolz. Mit seiner täglichen Musiksendung will er den „Nicas“ die US-amerikanische Kultur näher bringen: „We want to show the people what life is like outside of Nicaragua“.

Bei mir persönlich haben die Alarmglocken zu diesem Zeitpunkt schon dunkelrot aufgeblinkt. Nicht nur, weil man ganz viel Fantasie benötigt, um Radio Volcan noch als Community-Medium zu bezeichnen, sondern auch, weil die Unterhaltung mit „El Che“ die Einstellung von US-AmerikanerInnen (und vermutlich auch EuropäerInnen) gegenüber Ländern wie Nicaragua deutlich macht. „El Che“ rühmt sich damit, den Kindern in Granada zu helfen – mit Essen, Kleidung und vor allem als Vorbild, wie er sagt. „When I see a poor child, I talk to them and give them food and clothing. They should have certain things in life, otherwise they will get bullied at school“. Bei der Frage, was den Kindern aus ärmeren Verhältnissen denn langfristig helfen könnte, weicht er geschickt aus. „I just do what I do and the people love it“.

Ob die Absichten von Leuten wie „El Che“ gut oder schlecht sind, sei dahingestellt. Eines wurde mir durch das Gespräch aber klar: Es liegen Welten zwischen echter Entwicklungshilfe und dem Zücken der Kreditkarte. Denn Mitleid ist der falsche Reisebegleiter.

Katharina Maier

 

Video Granada – Las Isletas:

Cornelia Haslinger

Auf den Spuren der Revolution

Der 2. Tag unseres Nicaragua Abenteuers stand ganz im Zeichen der Revolution in den späten 70er Jahren, deren Geschichte und Gegenwart vor allem in León – der Wiege der Revolution – allgegenwärtig ist. Denkmäler, Plätze und vor allem die vielen Grafitti erinnern an die Helden, die Toten und die Ereignisse, die den langen Weg Nicaraguas aus der Diktatur und weg von imperialistischen Einflüssen der USA geprägt haben.

Im Zentrum Leóns, an einer Ecke das Hauptplatzes vor der Kathedrale, haben ehemalige KämpferInnen in einer verlassen Schule das Revolutionsmuseum eröffnet – in Eigenregie und ohne Unterstützung der lokalen Regierung. Wir beginnen dort mit unserer Einführung in die Revolutionsgeschichte Nicaraguas.

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Auf den ersten Blick sind wir in einem ganz gewöhnlichen Museum. Es gibt Bilder, Infotafeln, Briefe und andere Ausstellungsstücke. Das eigentliche Herz des Museum sind aber die Führer – alles ehemalige Guerilla-KämpferInnen, die über die geschichtlichen Hintergründe, ihr Leben in der Diktatur und ihre persönlichen Erfahrungen im Befreiungskampf auf einer persönlichen Ebene berichten.

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Unsere Führung wird von Carlos Lopez geleitet, der sich bereits mit 19 der damaligen Untergrundbewegung Frente Sandinista de Liberatión Nacional (FSLN) anschloss um seinen Teil zur Revolution beizutragen. Die meisten seiner jetzigen KollegInnen teilen seine Geschichte – den Wunsch aufzubegehren gegen die Repressionen und die tägliche Gewalt des Regimes, die ersten Schritte als Teil des Propagandaapparats der FSLN, das Guerillatraining in den Bergen, bis hin zum bewaffneten Kampf in den Straßen Leóns.

 

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Carlos Lopez mit einer der erbeuteten Waffen die im Revolutionskampf verwendet wurden

Er beginnt seine Ausführungen bei dem, mit dem alles angefangen hat. Mit Augusto César Sandino dem nicaraguanischen Nationalhelden, Märtyrer und ideologischem Vater der Revolution, dessen Guerillataktiken im Kampf gegen die US-amerikanische Invasion im Jahre 1918, vielen lateinamerikanischen Revolutionären mit Weltruhm als Blaupause gedient haben. In ruhigem Ton berichtet er in akribischer Genauigkeit die Abfolge der Ereignisse, die der politischen Landschaft Nicaraguas im 20. Jahrhundert ihren Stempel aufgedrückt haben. Die aufmerksame LeserIn dieses Blogs wird die Namen und ihre Geschichten kennen – Sandino, Somoza, Fonseca, Borges und nicht zuletzt den „Kriegshelden“, Führer der FSLN und aktuellen Präsidenten Nicaraguas Daniel Ortega, mit dem er seine Ausführungen beendet.

„In diesem Jahr … 2016 … In diesem Jahr haben wir wieder Wahlen und ich bin mir sicher das wir [die FSLN] wieder gewinnen.“ (Carlos Lopez)

Nur wenige würden ihm widersprechen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Auf dem Weg nach El Fortin

Im Anschluss an unsere Museumtour verlassen wir das Zentrum in Richtung Guadalupe im Süden Leóns. Wir halten bei einem ehemaligen Gefängnis, in dem zu Zeiten der Diktatur über fast 30 Jahre hinweg Menschen gefoltert wurden. Bei seinen Beschreibungen über die eingesetzten Methoden scheint unser Guide fast kein Detail auszulassen. Heute erinnern nur noch ein während der Revolution eroberter Panzer und ein von Gefangen gepflanzter Baum an die blutige Geschichte des Ortes. In der Anlage ist heute das Museo de Tradiciones y Leyendas (Museum der Traditionen und Legenden), welches wir uns allerdings sparen.

Wir fahren weiter nach El Fortin, einer verlassenen Festungsanlage, die 1889 zur Verteidigung der Stadt Leóns errichtet wurde. Sie liegt ca. 2,5 km außerhalb der Stadtgrenzen am Rande einer ehemaligen Mülldeponie. Der Müll lagert mittlerweile an anderer Stelle, da sich auf dem Gelände nach und nach Leute niedergelassen haben. Wir passieren vereinzelt gemauerte Hütten, der Großteil der Behausungen sind jedoch Holz- und Wellblechverschläge. Zum ersten Mal bekommen wir einen Einblick, wie groß in Nicaragua das Gefälle zwischen Zentrum und Peripherie sein kann. Wir sind mit bitterer Armut konfrontiert, erschrocken und neugierig zu gleichen Teilen. Um ihre kleinen Stückchen Land zu schützen, die sie nach sehr strenger Auslegung unrechtmäßig besetzen, haben die Siedler ihren „Vierteln“ die Namen von Revolutionshelden gegeben. Wir passieren die Gebiete Tomás Borges 1, Tomás Borges 2, Daniel Ortega 1, Daniel Ortega 2 – Sie verstehen was ich meine.

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Mit der Aussicht auf andere Zeiten

Als wir El Fortin betreten finden wir uns einmal mehr auf einem Dach wieder. Die Festung wurde auf einem Hügel erbaut, um eine gute Übersicht zu bieten. Die Aussicht ist zu allen Seiten hin atemberaubend- vor uns liegt die Stadt, hinter uns die Vulkankette.

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Hierhin zogen sich die letzten Kämpfer der Armee Somozas zurück, als die Stadt León bereits von den Revolutionären der FSLN befreit worden war. Nach einem wochenlangen Kampf um die Festung, konnte noch vereinzelt Anhänger des Diktators mit Hubschraubern in Sicherheit gebracht werden. Die meisten waren jedoch tot, als am 07. Juli 1979 die Festung in die Hand der Frente Sandinista fiel. Unermüdlich hatten diese versucht, El Fortin einzunehmen, da auch hier viele Nicaraguaner zu Unrecht gefangen gehalten wurden und grausamer Folter ausgesetzt waren. So lies beispielweise der Diktator die Gefangen aus Guadalupe zu Fuß bis zur Festung treiben, wo sie ihr eigenes Grab schaufeln mussten, bevor sie exekutiert wurden. Noch heute wird dem Tag der Befreiung mit einem Marsch von Guadalupe in León nach El Fortin gedacht. Der Präsident Ortega konnte an diesem aus gesundheitlichen Gründen in den letzten Jahren jedoch nicht mehr teilnehmen.

Auch hier treffen wir einen ehemaligen Kämpfer. Er und seine Familie haben sich auf dem Gelände der Festung niedergelassen. Sie halten die Ruinen in Stand, um die Erinnerung an diesen Ort lebendig zu halten. Er erzählt uns die Geschichten der Festung und ihrer Befreiung. Er kennt sich aus. Er war dabei.

Wie Carlos Lopez am Morgen im Museum nimmt er sich Zeit für seine gefallenen Kameraden, nennt Einige beim Namen – Andere beim Spitznamen. Er beschreibt ihre Charaktere, ihre Eigenheiten und erhält so die Erinnerung an sie und die Revolution am Leben.

Andreas Röser

Fotos: Nadine Hinterberger

Es geeht loooos!

Hupende Autos. Heißes Wetter. Kutschen als Transportmittel. Fröhliche Menschen. Dies waren die ersten Eindrücke als ich in der Früh das Hostel in León verließ.

Nach dem gestrigen Zusammentreffen und Abendessen mit Eva und Robert starteten wir heute nach dem Frühstück im Hostel mit der Übersicht des Exkursionsprogramms. Erstaunen und Vorfreude war in allen unseren Gesichtern zu sehen. Nach der kurzen Einführung machten wir uns auf den Weg in die Stadt um diverse Besorgungen zu erledigen und konnten somit die ersten Eindrücke der Stadt und der Einwohner sammeln. Nach dem Mittagessen in einem Comedor (ähnelt einer Mensa, in der man sich für wenig Geld ein tolles Menü zusammenstellen kann), den man an jeder Ecke findet, und kamen das erste Mal mit der nicaraguanischen Küche in Berührung.

Anfangs war ich sehr skeptisch, aber es schmeckte wirklich wunderbar!

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Nach dem Mittagessen machten wir uns auf den Weg zum Loro Trips Büro, welche unsere Exkursion geplant und organisiert hat. Wilbert gab uns einen kleinen Überblick über das Leben der Locals und der Kultur Nicaraguas. Der weitere Programmpunkt war eine Stadtführung. Unser Guide brachte uns als erstes zur größten Kathedrale Nicaraguas. Ich war komplett baff, da die Kathedrale nicht nur außen hin weiß war, sondern auch das Dach war komplett weiß und mit Kuppeln geschmückt. Besonders interessant ist es, dass León von einer Vulkankette umgeben ist und der Ausblick war ein wahnsinn!

 

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Die Glocken auf dem Dach luden uns dazu ein, sie läuten zu lassen, was wir auch kurzerhand machten ohne an die Konsequenzen zu denken. Unser Guide bekam kurzdarauf Schwierigkeiten, welche Gott sei dank kurz darauf beseitigt wurden.

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Im Anschluss besuchten wir die Mercedes Church, die aufgrund eines Vulkanausbruches gebaut wurde. León war nach dem Ausbruch auschließlich von Asche bedeckt und die Bewohner gingen mit der Maria Statue auf die Straße und beteten dafür, dass die Asche weggeht. Dies geschah dann auch durch ein Wunder und León war wieder sauber.

Während des ganzen Tages wurden die Vorbereitungen für die Feier am Abend an der weißen Kathedrale vorbereitet, da es sich um den 100. Todestag des Ruben Darios handelte. Dario war ein nicaraguanischer Schriftsteller und hatte großen Einfluss auf das Leben der Nicas. Es wurde für die Festlichkeit der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega erwartet und wir warteten ganz gespannt auf das Treffen des Präsidenten. Einige von uns konnten ihn live erleben, aber nur kurz. Da er gleich in die Limousine einstieg. Zum Schluss gingen wir zurück ins Hostel und ließen den Abend gemütlich mit einem Bier ausklingen. 🙂

Ich freu mich schon auf den nächsten Tag.

Liebe Grüße und buenos noches

Nadine Hinterberger

 

Video Leon – Zeo lässt die Glocke läuten…

Cornelia Haslinger


 

 

 

 

 

Was danach geschah…

Das ganze Leben ist eine Schule, man lernt nie aus! Deshalb ist es auch klar, dass das offizielle Ende der Exkursion nicht auch gleichzeitig das Ende unsres Lernprozesses darstellte. Schon der Flug nach Nicaragua musste von jedem selbst organisiert werden, und so stand es auch mit der Rückreise. Allerdings hätten sich wohl ein paar von uns erhofft, dass ihnen bestimmte Lebenserfahrungen erspart blieben.

Viele der ExkursionsteilnehmerInnen blieben noch ein paar Tage, bevor sie die Heimreise antreten wollten und genossen das Karibikfeeling, das Little Corn Island geradezu versprüht. Am Freitag wollten sich die ersten auf den Weg zurück in die Heimat machen und als erste Etappe das Boot um 6 Uhr nach Big Corn Island nehmen, wo der Flieger nach Managua bereitstand. Doch es gab eine böse Überraschung, als am besagten Tag der heitere Sonnenschein einem karibischen Unwetter Platz gemacht hatte, und es am Steg hieß: Heute fahren keine Boote!

Somit standen ziemlich ratlose Gestalten am Steg und bangten um ihre so sicher erschienene Heimreise. Der Flieger, der am Nachmittag startete, würde wohl kaum auf sie warten… Alles hoffen und flehen half nichts, die Naturgewalten machten, was sie wollten – bis mittags war keine Besserung in Sicht!

Doch da, plötzlich ein Lichtstrahl und in der Ferne tauchten zum ersten Mal seit Stunden endlich die Umrisse von Big Corn am Horizont wieder auf! Sofort merkte man, wie die Hoffnung von allen Besitz ergriff und nicht nur die StudentInnen unserer Uni zum Steg stürzten. Es dauerte nicht lange und das Boot für die Überfahrt wurde bereitgemacht. Allerdings war allen klar, dass die Menschenmassen, die sich bis dahin für die Überfahrt versammelt hatten, niemals in dieser Nussschale von einem Boot Platz haben würden! Kein Wunder also, dass sich die ganze Situation zu einem Schieben und Drängeln entwickelte, als das begehrte Boot dem Steg näher kam. Gierig erspähten die ersten Augen bereits einen Sitzplatz… bis das Boot plötzlich abdrehte und ziemlich verdatterte (nun-doch-nicht) Passagiere zurückließ. Die Erleichterung kehrte erst mit den zwei Booten zurück, die zusätzlich zum eigentlichen Fährboot bereitgestellt wurden und erst geholt werden mussten. Keine/r, der/die sich am Steg eingefunden hatte, wurde zurückgelassen.

Wir alle waren überaus froh und erleichtert, als wir die Nachricht von den anderen ExkursionsteilnehmerInnen erhielten, dass sie es bis nach Managua geschafft hatten, von wo sie aus am nächsten Tag nach Hause fliegen würden.

Eine Moral in der Geschichte gibt es wohl nicht…

…außer der, dass man nie weiß, was auf einen zukommt! Wie bereits erwähnt beschränkt sich das Lernen nicht auf die Schule oder Universität, auch das Leben selbst hält unzählige Lektionen bereit!

Christine Huber