Von einer anderen Welt – Miskito und Garifuna

Eine Welt ohne Autos, ohne Straßen, ohne Computer. Eine Welt ohne fließendes Wasser, ohne WLAN, ohne Waschmaschinen. Eine Welt in der die Menschen in einfachen Holzhütten leben und über offenem Feuer kochen. Eine Welt in der Schildkröten auf dem Rücken liegen und freilaufende Kühe im Garten sind.

Oder anders gesagt: eine komplett andere Welt die wir hier kennenlernen. Wir sind in Orinoco und Kakapilar, zwei Orten in der südlichen Autonomieregion RAAS, wo die indigenen Völker Miskito und Garifuna leben.

Voller Spannung stachen wir am Mittwoch in der Früh mit unserem kleinen aber feinen Boot in die hohe See. Nach unserem ersten (für manche auch etwas schockierenden) Kontakt mit den Rama am Vortag waren wir alle gespannt und neugierig was uns bei den Miskitos und Garifuna erwarten wird.

 Erste Station – Kakapillar

Die Miskitos sind die größte Gruppe der sieben indigenen Völker in Nicaragua und zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie ihre indigene Identität relativ gut bewahrt haben. So haben sie ihre eigene Sprache (Miskitu) zu der auch eine eigene Schriftsprache existiert und viele indigene Traditionen bis heute erhalten. Unser Guide Wilbert erklärte uns gleich zu Beginn einiges über die Geschichte der Miskitos, die stark von den Engländern geprägt wurde. In Zeiten der Kolonialisierung wurden die Miskitos von den Engländern mit Waffen versorgt, um gegen den Einfluss der Spanier, die sich an Pazifikküste Nicaraguas angesiedelt hatten, gewappnet zu sein. Der Name Miskito kommt demnach anscheinend von der Waffe Muskete.

Traditionell leben die meisten Menschen hier vom Fischfang und von der Landwirtschaft. Was uns auf der Insel sofort ins Auge stach war, dass die Leute zwar sehr einfach in rustikalen Holzhütten ohne fließendem Wasser hausen, aber im Kontrast dazu viele Häuschen bereits mit Satellitenschüsseln ausgestattet sind. Generell haben wir festgestellt, dass die Miskito zwar auch sehr einfach wohnen, im Vergleich zu den Rama aber technisch weiter fortgeschritten sind und nicht ganz so abgeschieden leben.

Kulturschock Nummer 2?

Wie bereits erwähnt, lebt ein wesentlicher Teil der Bevölkerung vom Fischfang. Dies zieht auch gesetzliche Besonderheiten mit sich. Für die indigenen Völker ist zum Beispiel der Fang von Meeresschildkröten erlaubt, obwohl diese eigentlich unter strengem Artenschutz stehen, da sie vom Aussterben bedroht sind. Auf Katapillar haben wir aus nächster Nähe mitangesehen, wie eine Schildkröte (Gewicht ca. 200 kg?) qualvoll auf den Tod wartete. Obwohl die Schildkröte 4 Tage davor gefangen wurde, war sie immer noch (mehr oder weniger) am Leben. Sie wurde rücklings auf dem Boden gelagert, Hände und Füße durchbohrt und mit einem Seil zusammengebunden. Wilbert erklärte uns, dass immer gewartet wird bis das Fleisch im Dorf knapp wird, bevor man die Schildkröte heranzieht. Das kann Tage dauern oder Wochen.

Schildkrötenfleisch ist auch in Restaurants zu finden, da es als Delikatesse gilt. Kontrollen woher das Fleisch kommt finden so gut wie nicht statt. Nicht nur bei den Einheimischen, sondern auch bei den europäischen Urlaubern ist Schildkrötenfleisch beliebt, ich denke ein wesentlicher Grund hierfür ist, dass die Touristen im Ausland fern von der Heimat verstärkt das Bedürfnis haben, etwas Neues (Verbotenes) auszuprobieren und sich nicht weiter Gedanken machen.

Es geht nicht darum, das Fangen von Meeresschildkröten mit ausgestrecktem Zeigefinger vorschnell zu verurteilen. Es geht aber auch nicht darum es schönzureden. Etwas nachdenklich verlassen wir Katapillar und starten mit dem Boot Richtung Orinoco.

 Zweite Station – Orinoco

Auf Orinoco angekommen wurden wir von den Garifuna sehr herzlich begrüßt. Nach einer köstlichen und nahrhaften Fischsuppe tanzten wir die Nachmittagsmüdigkeit mit einem traditionellen Garifunatanz zu rhythmischen Trommelklängen weg (die uns mehr an Afrika, als an Südamerika erinnerten), bevor wir uns aufmachten, um mehr über die Kultur zu erfahren. Genau wie die Miskitos leben die Garifuna ebenfalls entlang der Atlantikküste. Ursprünglich kamen sie aber als westafrikanische Sklaven hierher, die im 17. Jahrhundert vor der Insel St. Vincent Schiffbruch erlitten und von der Karibikregion aufgenommen wurden. Auch heute noch verfügen die Garifuna über eine eigene Sprache (Igñeri) und viele kulturelle Besonderheiten. Auf der Insel hatten wir außerdem die Möglichkeit, das traditionelle, knäckebrotartige Brot zu backen und bei der Destillation von typischem Schnaps zuzusehen. Allgemein ist mir vorgekommen, dass die Garifuna im Vergleich zu den Miskito und Rama am modernsten Leben. Auch der Tourismus ist hier am weitesten fortgeschritten, so gibt es hier sogar ein eigenes kleines Hotel und auch andere Touristen, die einem über den Weg laufen.

Dritte Station – Marshall Point

Unsere dritte Anlegestelle war Marshall Point, wo ebenfalls eine kleine Garinfuna-Community ansässig ist. Hier hatten wir noch die Möglichkeit in der Lagune schwimmen zu GEHEN, was eine ganz neue Bedeutung für uns bekam, denn das Wasser war mehr als seicht. Auch wenn man sich noch so weit von Strand entfernte wurde das Meer kaum tiefer als einen Meter. Also GINGEN wir noch kurz eine Runde Schwimmen, bevor wir Marshall-Point mit unserem Boot und vielen neuen Eindrücken von Nicaragua im Gepäck wieder Richtung Laguna de Perlas verließen.

Johanna Aigner

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