Über Platten, die aneinander reiben und was daraus in die Höhe wächst

Nicaragua – Vulkantourismus-Erfahrungen in der „Cordillera de los Maribios“-Region

Nicaragua, das Land in Zentralamerika, welches nicht nur mit der karibischen Atlantikküste, dem Surferparadies an der Pazifikküste, den großen Seen (Nicaragua- und Managua-See), der Insel Ometepe, den verschiedensten Arten von Vögeln, den äußerst freundlichen Menschen, den mittelamerikanischen Lebensstil und der mit purer Lebensfreude versetzten Musik bei Reisenden punkten kann, sondern auch mit Bergen. Man vergisst leicht auf die schlafenden Riesen, welche im ganzen Land verteilt sind, die Vulkane. Nicaragua ist bekannt für seine vielen Vulkane, darunter schlummern Vulkanriesen wie der 1745 Meter hohe Schichtvulkan „San Cristóbal, der 1700 Meter hohe, auf Ometepe gelegene, „Concepción“ oder kleinere „Hügel“ wie die Vulkane „Telica“ und „Cerro Negro“.

Tektonik & Cordillera de los Maribios-Region

Umgeben von

  • der Nordamerikanischen-Platte,
  • der Südamerikanischen-Platte,
  • der Kokos-Platte und
  • der Nazca-Platte,

befindet sich Nicaragua auf der Karibischen-Platte. Diese misst circa 3 Millionen Quadratkilometer und ist ständig in Bewegung. Unklar ist leider bis heute noch immer, wie die Nord- und Südamerikanischen Platten in Kombination zur Karibischen-Platte stehen. Man vermutet, dass sich die Karibik-Platte oberhalb beider Platten befindet. Ganz klar hingegen ist, dass die Kokos-Platte, im Westen an der Pazifikküste, unterhalb der Karibischen-Platte liegt und maßgeblich für die, aus der Subduktion gebildeten, Vulkane (siehe Grafik unten) in der Cordillera de los Maribios-Region verantwortlich ist. Diese erstreckt sich 64 Kilometer entlang der westlichen Küste Nicaraguas von Chinandega bis León. Diese vulkanische Bergkette besitzt fünf Vulkane:

  • San Cristóbal (Schichtvulkan),
  • Las Pilas (Schildvulkan),
  • Telica (Schichtvulkan)
  • Cerro Negro (Schlackenkegel) und
  • Momotombo (Schichtvulkan)

 Subduktion vs. Obduktion

Als Subduktion bezeichnet man das Abtauchen einer tektonischen Platte, wenn diese auf eine andere Platte im Erdmantel trifft. Eine Obduktion ist genau das Gegenteil, dabei schiebt sich eine tektonische Platte über eine andere Platte.

Vulkan-& Arten

Jeder Vulkan ist unterschiedlich, dennoch kann man jeden Vulkan durch sein Aussehen, seine Merkmale in eine der sieben Vulkanarten einteilen:

Schichtvulkan: http://www.magmania.biz/aufbau.htm

  • Schichtvulkan: Diese Art von Vulkan besticht mit seiner spitz-kegligen Form. Zudem hat er die Eigenschaft, dass er ziemlich steil ist. Ein Schichtvulkan besteht aus einzelnen Schichten von erkalteter Lava und Lockermassen und befindet sich besonders häufig über Subduktionszonen.

 

  • Caldera-Vulkan: http://www.magmania.biz/aufbau.htmCaldera (weitere gleichende Art: Sommavulkan): Caldera bedeutet vom spanischen her übersetzt Kessel und beschreibt eben die Form des Vulkans.

 

  • Schildvulkan: DieSchildvulkan: http://www.magmania.biz/aufbau.htmse Vulkane sind sehr schildartig aufgebaut und besitzen eine aufgewölbte Form.

 

  • BildSchlackenkegel: Eine Vulkanart mit steilen Flanken und stumpfen Spitzen. Man nennt diese Art auch Aschekegel.

 

  • Komplexvulkan: Diese Vulkane sind sehr komplex aBildufgebaut, haben mehrere Bergspitzen, Schlote und Krater und sind sehr weit verbreitet.

 

  • Plateauvulkan: Die Form eines Plateauvulkans gleicht jener Bildeines Schildvulkans. Ein dezentraler Lavaaustritt ermöglicht hier die Entstehung eines Plateaus.

 

Vulkantourismus-Erfahrung:

Telica und Cerro Negro Telica-Aktivität

Der Telica Vulkan ist einer der aktivsten Vulkane Zentralamerikas und brach das erste Mal 1527 aus. Damals war der Ausbruch noch relativ groß und wurde mit der Zahl 3 gemäß des Vulkanexplosivitätsindex bemessen. In den heutigen Tage gibt es fast nur mehr die Stärken 1 und 2. Die Stärke 2 und somit auch der letzte Ausbruch des Vulkans liegt 3 Jahre zurück und war am 14. Mai 2011.

Telica | Vollmondtour mit Übernachtung

In León angekommen und dem obligatorischen Besuch am Las Penitas-Strand und der Fahrt mit dem Chicken-Bus dort hin, hatten wir als Gruppe noch 2 ganze freie Tage in León. Doch wie diese Tage nutzen? Na klar, mit einer “Vollmond-Vulkantour” mit Übernachtung auf dem 15 Kilometer entfernten, knappe 1000 Meter hohen, Telica-Vulkan. Der Telica gehört, wie oben schon erwähnt zu der Vulkanart “Schichtvulkan”. Wir starteten mit unseren Guide “Jesus” von einem Dorf knapp neben der Hauptstraße. Zuerst bewegten wir uns in Richtung Telica in einem ausgetrockneten Flussbeet. Nach

(c) Benjamin Kaindl
Entfernung zum Vulkan (c) Benjamin Kaindl

mehreren Pausen erreichten wir nach circa 1,5 Stunden einen markanten Orangenbaum bei dem wir in ein steileres Gelände abbogen. Von nun an gings steil im staubigen Gelände bergauf. An einem Nest eines “Lapa Verde” vorbei zum Basislager. Mit im Gepäck natürlich 2 Zelter, Schlafsäcke, 4 Liter Wasser pro Kopf und Essen. Dass, der Aufstieg, wie vorher von vielen Seiten als Spaziergang belächelt, kein Zuckerschlecken wird, wurde uns erst jetzt bewusst. Der Schweiß tropfte von unseren Gesichtern herunter und der Staub der ausgetrockneten Erde blieb an unseren Waden kleben. Es war eine anstrengende Tour und der Guide hielt seine Schrittgeschwindigkeit immer konstant. Schlussendlich im Basislager angekommen, bauten wir unsere Zelter für die Nacht auf und suchten Holz für die Lagerfeuerstelle. Kurz darauf gings vom Basislager zum Aussichtsort, unterhalb des Vulkans, wo wir den Sonnenuntergang genießen konnten. Es war eine herrliche Atmosphäre, die Sonne und der Vulkan neben uns in warmer Sonnenuntergangs-Farbe getaucht. Nachdem die Sonne untergegangen war, machten wir uns auf den Weg zurück ins Basislager, um uns etwas zu stärken. Leider oder zum Glück, von welcher Seite man es aus sehen will, ging der Wind vom Aufstieg (kühlender Wind bei heißem Wetter) weg bis tief in die Nacht. Das erschwerte natürlich die Nahrungsaufnahme sowie die nächtliche Ruhe nach der Vollmond-Wanderung zum Krater hinauf.

(c) Benjamin Kaindl
Telica am Morgen
(c) Benjamin Kaindl

Die Vollmondtour war das Zuckerstück der Tour. Wir benötigten kein Licht, da uns der Mond genug spendete. So machten wir uns kurz nach 21 Uhr und nach einigen “Gespenster-Geschichten” des Guides und der Locals, die dort eine Art “Entrance-Fee” einhoben, auf zum Krater. Über einen kleinen steinigen Pfad stiegen wir innerhalb von 20 Minuten zum Krater auf und legten uns am Rand des Kraters auf unseren Bauch, um das Magma erspähen zu können. Am Weg dorthin erfüllte der Duft von Schwefel unsere Nasen und das Gröllen der Magma im Vulkan wurde immer lauter. Somit wussten wir, dass es nicht mehr weit bis zum Krater sein kann. Nach einigen Fotos, Langzeitbelichtungsaufnahmen und Konversation mit dem Guide gings wieder zurück zu den Zelten, wo auf uns eine windige Nacht mit wenig Schlaf wartete, da uns der Wind den Stoff des Zeltes immer wieder in unsere Gesichter wedelte. Am Morgen gings abermals zum Krater, um den Sonnenaufgang zu genießen. Das Bild, welches on top of volcano unsere Augen erfüllte würde mit Sicherheit in die Kategorie “Earth Porn” eingeordnet werden können. Nach einer kleinen Stärkung stiegen wir ab und machten noch einen kleinen Umweg über das Heimatdorf des Guides, wo wir eiskalte Getränke zu uns nehmen konnten. Es war ein tolles Erlebnis einen Vulkan zu besteigen und noch ein größeres dort zu übernachten beziehungsweise eine Vollmond-Tour zu unternehmen.

Tipps für Vulkanbesteigungen dieser Art:

  • festes Schuhwerk, Trekkingschuhe oder Bergschuhe empfehlenswert
  • Stirnlampe
  • Medipack
  • Kamera (um Bilder festzuhalten)
  • Proviant gut einrechnen (nicht zu viel auf den Berg schleppen)
  • viel zu trinken – ev. Camel-Bag
  • warmer Pullover für windige Nächte
  • Kappe + Sonnencreme

Cerro Negro Entstehung und Aktivität

Der Cerro Negro ist der jüngste Vulkan in Zentralamerika und entstand 1850 durch eine Subduktion der Kokos- und Karibischen-Platte. Der “Schwarze Berg” wächst pro Jahr circa neun Centimeter und ist auch einer der aktivsten Vulkane in Zentralamerika. Seit 1850 brach er circa 23 Mal aus. Das letzte Mal geschah das am 5. August 1999 für zwei Tage lang.

Cerro Negro | volcano boarding

Nach der anstrengenden Reise-Exkursionswoche in den Süden und wieder zurück nach León, hatten wir uns als Exkursionsgruppe einen freien Tag verdient. Diesen verbrachten wir am Nachmittag wieder am Strand, doch am Vormittag stand der Aufstieg auf den circa 700 Meter hohen Schlackenkegel Cerro Negro am Programm. Zuerst mussten wir uns mit unserem Chicken-Bus durch die hügelige Landschaft, umringt mit Bäumen und ihren Ästen, die teilweise voll in die Straße hangen, zum Cerro Negro Nationalpark vorkämpfen. Nach einer guten 3/4 Stunde Fahrzeit, standen wir am Fuße des Hügels und bezogen unsere Boards, mit denen wir dann den Vulkan hinunter rodeln sollten. Wir wurden in 6 Gruppen aufgeteilt und stiegen Gruppen-Mäßig zeitversetzt auf. Mit dem Board am Rücken gings über die rechte Flanke des Vulkans hinauf. Durch das steinige Vulkangelände führte ein schmaler Pfad bis zur Flanke. Ab dort wurde es ein wenig steil und durch die kleiner werdenden Steine, war es schwer, Halt zu finden. Nach 2 Pausen waren wir am wieder mal sehr windigen Grad angelangt. Von dort ging es kontinuierlich flach zum Gipfel. Der strake Wind machte uns das Tragen der Boards ziemlich schwer und so mussten wir des öfteren die Boards ablegen und warten bis sich der Wind ein wenig legte. Ab einem bestimmten Abschnitt konnte uns der Wind dann nicht mehr so stark angreifen und nach abermals 10 Minuten waren wir da, am Gipfel des Cerro Negro’s. Fotos wurden gemacht und der Guide erzählte uns über den Vulkan und führte ein kurzes Briefing durch, wie wir am besten und sichersten mit unserem Board über den Vulkan hinunter rutschen sollten. Mit Schutzkleidung und Schutzbrillen bewaffnet, stellten wir uns dem schnellen, rasanten Abstieg. Nach drei minütiger Abfahrt und vielen kleinen, feinen Vulkanbrösel in Mund, Ohren und Schuhen waren wir unten angekommen und schauten noch den anderen zu, die oben auf ihre Abfahrt warteten. Alles in allem ein weiteres tolles Erlebnis, den wer kann von sich schon behaupten, dass er einen Vulkan hinunter gerodelt ist.

Tipps für Volcano-Boarding:

  • Action-Cam und Foto-Kamera mitnehmen
  • festes Schuhwerk
  • Aufstieg ohne Proviant möglich
  • Mund bei der Abfahrt schließen 😉

 

Fazit Vulkantourismus

Ich bin erstaunt, wie gut diese Touren zu den Vulkanen organisiert sind. Vor allem, weil die Guides gutes Englisch an den Tag legen, man sie somit mit Fragen bombardieren kann.  Nicht nur Nicaragua hat hier sicherlich eine einzigartige Nische entdeckt mit der man den Tourismus beleben kann. Ich bin gespannt, wie sich dieser Vulkantourismus inklusive Vollmond-Touren oder Volcano-Boarding weiterentwickeln wird und werde dies mit Sicherheit im Auge behalten.

(c) Benjamin Kaindl
Cerro Negro Panorama
(c) Benjamin Kaindl

Uniradio Beitrag “Die Eindrücke eines Dschungelradios”

Uniradio Beitrag “Die Eindrücke eines Dschungelradios” 

HeyHo,

einen wunderschönen Guten Tag, wo Ihr euch auch immer alle gerade befindet.

Für die kommende Uniradiosendung, am Mittwoch den 07.Mai 2014, haben wir zusammen mit einigen von euch ein paar Eindrücke über Nicaragua Revue passieren lassen und zwar über die Eindrücke des Radios Humanidales in San Miguellito. Wer es von euch nicht erwarten kann, die Sendung am Mittwoch am 21:00 Uhr zu hören, der kann sich den Beitrag hier schon einmal streamen.

Vielen Dank an Alle, die uns so brav Rede&Antwort gestanden sind und sich noch an den Tag erinnern konnten. 😉

Hier gehts zum Beitrag:

LG
Sebastian Gugg, Marc Semmler, Midsch Morf & Michelle Hübner

Gefleckter Hahn mit Hähnchen und Hahnenschnabel

Egal ob zum Frühstück, Mittag- oder Abendessen – die Wahrscheinlichkeit, dass in Nicaragua Gallo Pinto auf den Tisch kommt ist groß. Das überaus beliebte sowie traditionelle Gericht ist für Nicas aus dem täglichen Speiseplan nicht wegzudenken.

Einen Monat nach der Rückkehr aus Nicaragua ging einigen Exkursionsteilnehmer das heißgeliebte Gallo Pinto schon wahnsinnig ab. Deshalb traf sich eine Gruppe von sieben Leuten zum gemeinsamen Nica-Schlemmen. Wir möchten euch das Nica-Essen natürlich nicht vorenthalten. Deshalb anbei das Rezept zum Nachkochen:

Gallo Pinto

Zutaten: zwei Tassen Reis, vier Tassen Wasser, drei Dosen rote Bohnen (oder trockene Bohnen einweichen), Öl, drei Zwiebeln, drei Knoblauchzehen, Salsa Lizano, Salz, Pfeffer, Chili, Tabasco

Zubereitung: Reis kochen. Bohnen abseihen und Bohnenwasser aufbehalten (gibt dem Gericht die typische Farbe). Zwiebeln in einer Pfanne mit Öl anschwitzen, Knoblauch und Chili hinzugeben. Reis mit anrösten und Bohnen hinzugeben. Mit Salz, Pfeffer und Tabasco abschmecken. Für die Farbe Bohnenwasser hinzufügen. Die Salsa Lizano (Sauce aus Costa Rica, aus Nica mitgebracht) rundet den Geschmack ab und gibt dem Gallo Pinto ihren typischen Charakter.

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Tortillas mit Gallo Pinto im Tranquilo auf Little Corn Island (Foto: Ruep)

Die Gruppe verspeiste das Gallo Pinto nicht zum Frühstück, wie es in Nicaragua üblich ist, sondern in Form von Tortillas, wie sie auf den Corn Islands im angesagten Lokal „Tranquilo“ angeboten wurden (siehe Foto). Dafür zusätzlich Tortillas im Ofen anwärmen. Als Beilagen eine Guacamole und eine Pico de gallo (Tomatensalsa) zubereiten. Zudem Pollo (Hühnchen) oder Fisch in Streifen schneiden, mit Knoblauch Salz, Pfeffer und Chili würzen und in Öl anbraten. Weißkraut fein schneiden oder hacheln. Alle Zutaten in Schüsseln auf den Tisch stellen – jeder kann sich seine Tortillas nach Belieben selbst zusammenstellen.

Pico de gallo (Hahnenschnabel, oder einfach Tomaten-Salsa): Tomaten und Zwiebel würfeln. Koriander hacken. Alles zusammenmischen und mit Salz, Pfeffer, Öl, Limettensaft und etwas Chili abschmecken.

Guacamole: Fruchtfleisch von zwei Avocados mit der Gabel zerdrücken. Knoblauch kleinschneiden oder pressen und untermischen. Mit Sauerrahm zu einer Creme verrühren. Mit Salz, Chili, Limettensaft abschmecken.

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Ein Topf Gallo Pinto und zufriedene Exkursionsteilnehmer. (Foto: Müller-Schell)

Als Getränkebegleitung empfehlen wir eiskalte Nica-Libre oder
Victoria 😉

Mahlzeit!

Stefanie

Das Produzieren und Konsumieren von Zucker

Am letzten Tag unserer Exkursion hatte La Isla dessen Projekte im Hause Loro Trips vorgestellt. Zentral war vor allem das Thema der Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrplantagen. Dazu wurde der Exkursionsgruppe anfangs der Unterschied zwischen einer Chronical Kidney Disease und einer CKD unknown erklärt. Die chronische Nierenkrankheit (CKD) tritt vor allem bei fettleibigen Personen und Diabetes Erkrankten auf. Die unbekannte chronische Nierenkrankheit (CKDu) tritt bei Personen auf, bei denen die Ursache für den Ausbruch der Krankheit nicht bekannt ist. Diese CKDu tritt vor allem bei Arbeiter auf, die auf Farmen oder Zuckerrohr- und Kaffeeplantagen tätig sind.

Die Ursache, weswegen die Arbeiter an dieser CKDu erkranken, ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Arbeitsbedingungen zurückzuführen. Stundenlanges Arbeiten ohne Pause, ständig der Hitze ausgesetzt, beschränkter Zugang zu Wasser, zuckerhaltige Getränke sowie das Arbeiten mit Pestiziden gehören zum Alltag von Zuckerrohrarbeitern.

Die Vorgaben werden meist nicht eingehalten. Normalerweise sollten die Arbeiter auf den Zuckerrohrplantagen 6 Stunden pro Tag arbeiten, tatsächlich arbeiten sie aber 8 – 12 Stunden pro Tag. Des Weiteren wird behauptet, dass auf den Plantagen keine Minderjährigen arbeiten. In Wahrheit sind über die Hälfte der Arbeiter zwischen 14 – 17 Jahre alt. Dies hat mit dem so genannten „vicious circle“ zu tun, den viele Arbeiter nicht mehr entkommen. Angefangen bei den niedrigen Löhnen beginnen die Arbeiter Überstunden zu machen. Die harten Arbeitsbedingungen führen schlussendlich häufig zu der Erkrankung CKDu und die Betroffenen werden daraufhin gefeuert. Die Krankheit bricht schnell aus und die Arbeiter sterben nach kurzer Zeit. Um die Familie weiter ernähren zu können, müssen die Kinder die Schule abbrechen und beginnen ebenfalls auf den Zuckerrohrplantagen zu arbeiten. Diese bekommen wiederum einen niedrigen Lohn und der Teufelskreis beginnt von vorne. Des Weiteren stieg in den letzten Jahren der Anteil an Arbeiterinnen, da die Arbeiter nach und nach aussterben.

Bereits 2005 hat sich die Todesrate der Zuckerrohrarbeiter in Chichigalpa fast verdoppelt. Das Problem ist, dass es für die Bewohner in Chichigalpa fast keine andere Arbeitsalternative gibt. Außerdem trauen sich die Arbeiter nicht in der Öffentlichkeit über die Probleme zu sprechen, da die meisten keine Ausbildung haben und die Zuckerrohrplantagen die einzige Arbeitsmöglichkeit darstellen. Um nicht gefeuert zu werden, erzählen die Arbeiter nichts über die harten Arbeitsumstände. Außerdem werden die Zuckerrohrarbeiter durch den Zugang zu Essen und Medikamenten zum Schweigen gebracht.

La Isla Foundation greift die zentralen Probleme der Arbeiter auf und versucht durch die Erforschung der CKDu, durch soziale Hilfen wie beispielsweise Zugang zu Wasser und durch die Herstellung einer Verbindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Arbeitsumstände auf den Zuckerrohrplantagen in Chichigalpa zu verbessern.. Ziel der Stiftung ist den Teufelskreis zu brechen, indem die Bewohner in Chichigalpa besseren Arbeitsumständen ausgesetzt sind und aber auch für andere Jobs ausgebildet werden. La Isla Foundation arbeitet nicht gegen die Unternehmen, die Stiftung will viel mehr den Teufelskreis brechen. Ein weiteres Ziel der Stiftung ist, die Arbeiter darauf aufmerksam zu machen, dass die zuckerhaltigen Getränke körperlichen Schaden anrichten. Die zuckerhaltigen Getränke sind auf die Dauer vor allem für die Nieren sehr schädlich. Stattdessen will La Isla Foundation vor allem frisches Wasser gegen Durst anbieten und für mehr Pausen im Schatten sorgen.

Schlussendlich betont die Repräsentantin der Foundation, dass man selbst auch zu einer Verbesserung beisteuern kann, indem man bei dem Kauf neuer Produkte darauf achtet, wo diese herkommen.

Mich haben die Arbeitsumstände ziemlich erschüttert, da man in den Medien wenig darüber erfährt. Ich denke aber auch, dass es dauern wird, bis eine Verbesserung der Arbeitsumstände für alle Arbeiter umgesetzt wird. Die Unternehmen wissen, dass die Arbeiter oft keine andere Arbeitsalternative haben und das Geld brauchen, um die Familie zu versorgen. Trotz allem finde ich finde es gut, dass Nonprofit Organisationen solche Themen aufgreifen und die Öffentlichkeit damit aufmerksam gemacht wird.

Christine Drack

Der Morgen stirbt nie: Die „Mañana-Mentalität“ als Forschungshürde

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Pinta von Flor de Caña: Unternehmen schalten kostengünstige Werbung, in dem sie Häuserfronten renovieren und dafür ihre Werbung dort plazieren © Herdin

Wenn sich Robert und Eva demnächst in Nicaragua in ihre Feldstudien stürzen, werden sie trotz ihrer Pionierrolle beim Organisieren der KoWi-Exkursion keine völlig neuen Pfade betreten. Schon vor 20 Jahren hat Thomas Herdin, heute Assistenzprofessor am Fachbereich, für seine Diplomarbeit im Land geforscht. „Public Relations und Kommunikationskampagnen in Nicaragua. Eine kulturspezifische Analyse“ heißt das Werk, das sich neben den wissenschaftlichen Fragestellungen auch den Hürden im Forschungsalltag widmet.

Herdin arbeitete von Dezember 1993 bis März 1994 in Nicaragua und führte Interviews mit PR-Verantwortlichen von Unternehmen, Staatsbetrieben, Hilfsorganisationen, Werbeagenturen, Universitäten etc. Dabei notierte er auch seine persönlichen Erfahrungen in einem Forschungstagebuch. Denn einfach war die Studie in dem anderen Kulturkreis nicht: Hitze und überfüllte Busse am Weg zu Terminen, die schwierige Orientierung in Managua, Streiks, mitunter falsche Informationen, die Zeit, Geduld und Nerven kosteten. Dazu kam – für den Mitteleuropäer wohl am gewöhnungsbedürftigsten – das andere Verständnis von Zeit und die sogenannte „Mañana-Mentalität“.

Mit dem Wort „mañana“, also morgen, werden unliebsame Dinge nicht im Sinn des Wortes „nur“ auf den nächsten Tag verschoben, sondern erst irgendwann (oder gar nie) erledigt. Das ist zunächst einmal keine rein mittelamerikanische Eigenheit, wenn man an Begriffe wie „African Time“ oder das sperrige Vokabel „Prokrastination“ denkt (und der Autor dieser Zeilen auch längst als „Bummelstudent“ durchgeht). Für Herdin manifestierte sich die „Mañana-Mentalität“ vor allem in dem Nichteinhalten von Terminen, lan­gen Verspätungen und ungenauen Auskünften. Dass das bei der Arbeit nervt, liegt nahe. „Ich glaube, das Wort ‚Verspätung‘ existiert nicht im nicaraguanischen Vokabular“, schreibt Herdin einmal in einer Fußnote. Und: „Durch diese, für einen Mitteleuropäer zum Teil unbekannten Problematiken, gelangt man manchmal zu einem Punkt völliger Demotivation“ (S. 48).

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© Herdin

Schon die Kontaktaufnahme mit Interviewpartnern wurde vielfach zum langwierigen Unterfangen. So berichtet Herdin, dass im Telefonbuch unter der Stadtverwaltung Managua 45 verschiedene Nummern angeführt worden sind – ohne zu spezifizieren, um welche Abteilung es sich handelt. „Einige Leitun­gen sind dauernd besetzt beziehungsweise nicht angeschlossen. Des öfteren wurde ich falsch verbunden, nach weiteren Versuchen war wiederum das Stadtnetz von Managua überlastet“, dokumentierte Herdin (S. 48). Manchmal waren Gesprächspartner so erst nach Tagen greifbar. Und dann stellte sich manchmal heraus, dass sie für PR-Be­lange gar nicht zuständig waren. „Und die ganze Prozedur begann von neuem.“ (S. 49).

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Sexualidat y Educación sexual: Ausschnitt aus einer Infobroschüre der Gesundheitsorganisation CISAS © Herdin

Ähnliche Probleme gab es bei der Terminfixierung: „Falls eine Person in der aktuellen Woche keine Zeit hatte, sollte ich doch ‚Montags nochmals anrufen‘. Die Planung erfolgt anscheinend immer nur für eine Wo­che“ (S. 49). Auch die oft gehörte Vertröstung, der Interviewpartner werde gleich kommen („un momentito“) galt nur bedingt: Aus dem Moment wurde rasch einmal eine Stunde. Ein anderes Mal berichtet Herdin von einem Termin mit einem Geschäftsführer einer Werbeagentur. „Die Dame am Empfang sagte mir, dass der Geschäftsführer gerade weggefahren sei, aber wieder zurück­komme werde. Nach weiteren 20 Minuten machte mich eine andere Mitarbeiterin darauf aufmerksam, dass er sicherlich nicht mehr kommen wird“ (S. 51).

„Das waren Tage, an denen ich mir nichts sehnlicher gewünscht hätte, als in Österreich in einer Bibliothek zu sitzen, eine Literaturarbeit zu schreiben und mich vom natürlich-klima­tisierten Wetter verwöhnen zu lassen“ (S. 51). Dass Herdin seine Arbeit letztlich doch nach Plan fertig stellte, dürfte auch an der passenden Gegenstrategie liegen: „So versuchte ich, jedes frustrierendes Ereignis in eine weitere Erfahrung umzusetzen, von der anderen Kultur wieder eine Stück mehr er­fahren zu haben und mit der Gleichgültigkeit eines Nicaraguaners (fatalistische Einstellung) darauf zu reagieren“ (Seite 49f).

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“Ich bin kein Professor, aber ich kann helfen, dass viele Kinder einen besseren Unterreicht bekommen”: Kampagne des Finanzministeriums zur Notwendigkeit, Steuern zu bezahlen. © Herdin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was aber hat sich nun in den vergangenen 20 Jahren geändert? Findet sich die „Mañana-Mentalität“ in einer globalisierten Welt und im Zeitalter von Internet und E-Mail noch im gleichen Ausmaß wie früher? Manche Bereiche (wir haben es beim Besuch der PR-Agentur in Managua gesehen) arbeiten hoch professionell, andere (Zusagen einzelner Hostels gegenüber Loro-Trips wurden nicht eingehalten) offenbar weniger. Vielleicht bloggen ja Robert und Eva hier einmal von ihren Eindrücken – sofern sie das nicht auf Morgen verschieben.

Fritz

PS: Fotos und Illustrationen sind der Diplomarbeit von Thomas Herdin entnommen

Low Intensity Warfare: Eine Anleitung zum Brandsatzbau

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Von der CIA herausgegebene Anleitung zum Guerillakrieg der Contras (hier in einer deutschen Übersetzung) © FN

Eine Suche im Online-Katalog der Bibliothek für eine Arbeit über Medien und Politik liefert dieser Tage ein überraschendes Ergebnis. Aus der Trefferliste sticht unerwartet das Wort „Nicaragua“ heraus, also leiht man sich das Buch kurzerhand aus. Und bekommt damit ein zwar bald 25 Jahre altes, aber nach wie vor erschreckend aktuelles Werk über die US-Außenpolitik in der sogenannten Dritten Welt in den 70er und 80er Jahren in die Hand.

„Medienkrieg oder der Fall Nicaragua“ ist 1990 erschienen und liest sich – wie es der Untertitel verheißt – als „politisch-psychologische Analyse über US-Propaganda und psychologische Kriegsführung.“ Herausgeber des Buches ist der aus Österreich stammenden Psychologe und Mitbegründer des „Friedensjournalismus“-Konzepts, Wilhelm Kempf – ein Name, der mir zugegebenermaßen bisher noch nie untergekommen ist.

Wer Aversionen gegen die US-Außenpolitik in den vergangenen Dekaden hegt, wird sich bei der Lektüre klar bestätigt fühlen. Das Buch andererseits als „linke Solidaritätspropaganda“ abzutun, würde der Geschichte Lügen strafen: Der Terror der Contras gegen die Zivilbevölkerung – Vergewaltigungen, Verstümmelungen, Folter, Entführungen, Zwangsrekrutierungen, Sabotage, Morde – wurde von den USA nicht nur gebilligt, sondern gezielt gefördert und unter dem Vorwand der Menschenrechte legitimiert, die US-gesteuerte Söldnertruppe von Reagan als „Freiheitskämpfer“ etikettiert.

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© FN

Das Buch erklärt das Konzept der „Low Intensity Warfare“, das Mitte der achtziger Jahre zu einem der „wichtigsten Politikinstrumente der USA gegenüber der dritten Welt“ (S. 3) wird. Direkter Einsatz von amerikanischen Truppen ist nur im Ausnahmefall vorgesehen, vielmehr wird mit wirtschaftlichen, politischen und psychologischen Maßnahmen versucht, unliebsame Regierungen zu untergraben und zu destabilisieren. Da werden bereits zugesagte Kredite von der Weltbank hintertrieben, Landerechte für Schiffe und Flugzeuge verboten, Nachbarländer militärisch und wirtschaftlich hochgerüstet, Waffen für den Guerilla-Krieg geliefert und Menschenrechtskampagnen gegen Nicaragua geführt.

Das Land, das nach dem Sturz der Diktatur so bemerkenswerte Fortschritte gemacht hat, wurde damit zusehends in seiner Entwicklung gehemmt. Überfälle auf Gesundheitseinrichtungen, Transportmittel, regionale Radiostationen, Nahrungsmittellager und Anbauflächen trugen laut Kempf zur Verunsicherung der Bevölkerung und Lähmung der Wirtschaft bei – und gehörten damit bewusst zu einer Strategie, deren psychologische Auswirkungen sorgfältig kalkuliert waren.

Für Sabotageakte ließ die CIA etwa eine illustrierte Borschüre im Stil eines Comic-Heftes ausarbeiten. Im „Handbuch des Freiheitskampfes“ („Manual del Combatiente por la Libertad“) werden auf 16 Seiten ausgeklügelte, aber von jedermann und -frau leicht anwendbare Sabotagetechniken erklärt. „Die Anweisungen reichen von der Verschwendung lebensnotwendiger Ressourcen (etwas durch das Laufenlassen von Wasser) über die Zerstörung von Strom- und Telefonleitungen bis zu Herstellung von Molotow-Cocktails zum Einsatz gegen Polizeistationen“, schreibt Kempf (S. 17).

Und er zeigt auf, wie Medien in Nicaragua und Europa für die US-Interessen instrumentalisiert wurden. So wurde die Zeitung „La Prensa“ von der CIA und US-nahen Stiftungen mit Papier und Geldmitteln am Leben erhalten werden, um eine für die Interessen der USA brauchbare Opposition gegen die Sandinisten zu stützen. Das wirkte sich klar in der Berichterstattung aus: „Plötzlich treten lokale Katastrohen in den Vordergrund und bestimmen das Bild einer Welt, die dunkel, furchterregend und beängstigend eng wird. (…) Die Nachrichten bestehen aus einer sorgfältig zusammengestellten Collage über einige wenige simple Themen, die dazu dienen sollen, die Regierung zu diskreditieren und die Bevölkerung zu spalten.“ (S. 22).

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Das Basteln einfacher Brand- und Sprengkörper war freilich kein Privileg der Contras. Schon im Kampf gegen die Somoza-Diktatur wurden Widerstandskämpfer im Bau von “Granaten” ausgebildet, hier eine Bombe aus Papier, Schwarzpulver und Klebeband im Revolutionsmuseum León. © FN

Damit nicht genug: „Pressekampagnen in In- und Ausland stellen die von außen gezielt herbeigeführten Probleme und Schwierigkeiten als Unfähigkeit, wenn nicht Menschenverachtung der sandinistischen Regierung dar. Versuche der Regierung in Managua, solche Kampagnen zu unterbinden, werden wiederum als diktatorische Maßnahmen und Einschränkung der Pressefreiheit gewertet“, heißt es im Vorwort zum Buch.

Hinter der Kampagne gegen Nicaragua dürfte laut den Autoren die Sorge der USA um ihr „Recht“ stehen, die Welt gemäß ihren „nationalen Interessen“ zu bestimmen und über deren Ressourcen „frei“ verfügen zu können. Diese Ansicht liegt freilich keineswegs so lange zurück, wie das vorliegende Buch alt ist. Der „Zweite Irakkrieg“ der USA wurde etwa mit nie gefundenen Massenvernichtungsmitteln begründet, und das Amerika bürgerliche Rechte mit zweierlei Maß misst, hat auch der NSA-Spionageskandal gezeigt.

Fritz

Szenen aus einem Ausbildungslager für Revolutionäre in León Ende Februar 2014, als Exkursion der Universität Salzburg getarnt. © Weichselbaumer

Anflug auf ein Paradies

© FN
© FN

Im Sinkflug auf Big Corn Island ist von oben gut die Landebahn und ein kleines Häuschen zu erkennen. Beim Ausstieg vom Flugzeug zeigt ein Mann den Passagieren den rund 20 Meter weiten Weg zum Flughafengebäude. Airport ist ein weit dehnbarer Begriff – im Prinzip besteht die Ankunfts- (und zugleich Abflugshalle) hier aus einem etwas größeren weiß-blauen Häuschen mit rotem Ziegeldach.

Der Mann am Schalter kontrolliert die Pässe, ein zweiter Mitarbeiter bringt mit einem Rollwagen das Gepäck aus dem Flugzeug. Nachdem der Mann am Schalter mit den Passkontrollen fertig ist, überprüft er die Gepäcknummern – die einzelnen Koffer gibt es für die Besitzer erst im Austausch für den passenden Gepäcksabschnitt.

Zwei Mal am Tag landen und starten hier Maschinen, aus Bluefields und Managua. Ansonsten dient die asphaltierte Landebahn ganz anderen Zwecken: Jugendliche nutzen sie als Baseballplatz, und viele Schulkinder queren die Piste, um schneller zum Unterricht zu kommen. Auch für die Touristen, die nach der Landung per Boot weiter auf Little Corn fahren, wäre der Hafen leicht zu Fuß über die Landebahn erreichbar.

Amerikanische oder europäische Urlauber sehen in solch einem kleinen Flughafen vielleicht ein faszinierendes karibisches Idyll – überhaupt wenn man kurz zuvor einen monströsen Flughafen wie den in Atlanta gesehen hat.

© Stefanie Ruep
© Stefanie Ruep

Doch damit ist bald Schluss. Die Piste wird gerade verlängert, erzählt unser Taxifahrer Don Fernando. Es wird nicht mehr recht lange dauern, dann sollen hier Direktflüge aus Miami, Mexico City und Panama landen. Statt dem beschaulichen blauen Häuschen sollen dann drei Gates stehen. Mit der Idylle auf den beiden Inseln wird es dann wohl vorbei sein. 300 bis 500 zusätzliche Gäste pro Woche sind keine Kleinigkeit für die touristische Infrastruktur auf Big und Little Corn.

Wir würden uns hier mehr fürs Nachleben wünschen, sagt auch der Besitzer unseres Bed & Breakfasts. Doch austauschbare Clubs für das Party-Volk mit lauter Musik und reichlich Alkohol gibt es schon überall auf der Welt – von Bali bis Goa. In Nicaragua hat sich San Juan del Sur als Surfer- und Sauf-Meile etabliert – so stark, dass es andere Urlauber schon wieder abschreckt. Für die Menschen auf den Inseln mögen mehr Touristen verheißungsvoll sein und Jobs und ein regelmäßiges Einkommen versprechen. Doch die Gefahr, die Urlaubsidylle nachhaltig zu schädigen, ist groß.

Stefanie, Fritz

Eine Überdosis Koffein

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© FN

Zuerst haben wir überlegt, die letzten Tage nach dem Exkursionsprogramm mit den neu gewonnenen Freunden am Strand zu entspannen, bei rollenden Wellen, gebratenem Fisch und dem einen oder anderen Toña. Dann sind wir trotzdem ins Hochland gefahren – und bereuen die Entscheidung nicht. Die trockene, heiße Ebene ist dicht bewachsenem Bergland gewichen. Das Klima ist fantastisch, aber in der Nacht ist es so kalt, dass es eine dicke Decke braucht. Wir verbringen drei Nächte bei Jürgen, einen Auswanderer aus Deutschland, der gemeinsam mit seiner nicaraguanischen Frau Annabel – einer Journalistin – auf halbem Weg zwischen Matagalpa und Jinotoga eine Kaffee-Finca betreibt. Geld verdient er damit nicht, das kommt von der Vermietung von vier Zimmern und fünf Cabañas. Aber er produziert für den Eigenbedarf und den seiner Gäste. Der Kaffee ist der beste, den wir seit Wochen getrunken haben.

Wir befinden uns in der Kaffee-Kammer des Landes, deutsche Einwanderer haben hier Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen, die ursprünglich aus Äthiopien stammende Bohne zu kultivieren. Gleich Tausendfach stapeln sich entlang der Einfallsstraßen nach Matagalpa große Säcke voller Kaffee, zuletzt war Nicaragua der zwölftgrößte Kaffeeproduzent der Welt. Doch bei einem Rundgang auf Jürgens Grundstück lernen wir schnell: Kaffeeanbau ist mühevolle Handarbeit, zumal wenn man wie er ein Kleinplantage betreibt. Wer auf Kunstdünger verzichtet, muss die kleinen Pflanzen regelmäßig mühsam mit der Machete von Unkraut befreien. Erst nach drei, vier Jahren ist die erste Ernte möglich. Auch Jürgens Naturdünger – eine Mischung aus Zuckerrohr-Melasse, Hühnermist, Mais-Spelzen und Hefe – ist deutlich aufwendiger auszubringen, als hochkonzentrierter Kunstdünger.

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© FN

Bei der Ernte muss jede Kirsche einzeln gepflückt werden, um die Blüten für die nächste Ernte nicht zu beschädigen. Das fördert zwar die Qualität des Produkts, für einen 20 Liter-Kübel voller Kirschen erhält der Sammler laut Jürgen in der Regel dennoch nur 30 bis 40 Cordoba. Wird er zusätzlich mit Essen verpflegt, sinkt diese Summe noch.

Die Kirschen werden mit einer Maschine gebrochen, fermentiert (um Reste des Fruchtgelees von der Bohne zu entfernen), gewaschen und getrocknet. Auf großen Sieben oder Folien trocknen die Bohnen dann bei Sonne und Wind, schlechte Exemplare werden per Hand aussortiert. Zuletzt muss noch die Schale und eine dünne Hautschicht entfernt werden. Geröstet wird in Nicaragua übrigens kaum, das passiert bei den großen Firmen in Europa und den USA. Jürgen – er trinkt gefühlte 10 Tassen am Tag – nützt dazu freilich eine kleine Metallpfanne über offenem Feuer.

Vom Kaffee leben könnte er nicht: Der Kaffeepreis war in den vergangenen Jahren massiven Schwankungen ausgesetzt und befindet sich derzeit auf einem Niveau, dass die Produktionskosten kaum hereinspielt. Ende der 90er Jahre war der Preis einmal so niedrig, dass Kleinbauern ihr Land verlassen mussten. Von den 25 größten Haciendas in Matagalpa haben damals 20 schließen müssen, 36.000 Menschen verloren in der Region ihren Job. Laut Medien gab es als Folge eine Hungersnot. Fair Trade ist zwar kein Allheilmittel, aber der Produzent erhält unabhängig vom Weltmarkt einen Fixpreis für sein Produkt. Vielleicht sollten wir in Zukunft stärker daran denken, bevor wir den nächsten Kaffee kaufen.

Film-Tipp: Die NDR-Doku „Bittere Ernte – Preis des billigen Kaffees“ ist in mehreren Teilen auf Youtube nachzusehen. Sie spielt vor allem in Brasilien, dem größten Kaffeeproduzenten der Welt.

Fritz

Die Armut eines „reichen“ Landes und der Wassermangel am größten See Zentralamerikas

Es scheint nicht sehr verwerflich, Nicaragua als armes Land zu bezeichnen. Nach nur wenigen Tagen vor Ort gewöhnt man sich an günstige Preise, billige Dienstleistungen und kommt mit der Umrechnung immer besser klar. – Aber das sind ja nur … Wenn sich sogar arme Salzburger Studenten wie Könige fühlen („Was soll der Geiz“), dann muss es wohl ein armes Land sein.

 Auch das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) führt Nicaragua in ihrem Armuts und Reichtums  Ranking im hinteren Drittels (Platz 121). Betrachtet werden dabei das durchschnittliche Pro-Kopf Einkommen, Bildung und die Lebenserwartung.

Traue keiner Statistik…

Zum Thema Bildung sei nur gesagt, dass eine der ersten präsidialen Amtshandlungen der sandinistischen Regierung im Jahr 2007 die Einführung einer Schulpflicht war und das Bildung seit diesem Zeitpunkt in Nicaragua kostenlos ist. Auf der UNAN in Leon waren wir sehr überrascht, wie viele junge Leute ein Studium anstreben und von ihrem Recht auf Bildung Gebrauch machen. Es wird eventuell dauern, aber ich glaube das Land dürfte in Sachen Bildung auf einem guten Weg sein.

Mit einer Lebenserwartung von 74 Jahren liegt Nicaragua auf dem Happy Planet Index auch deutlich weiter vorn, als die Übersicht der UN vermuten lässt (Platz 61).

Über den Happy Planet Index:

„The HPI measures what matters: the extent to which countries deliver long, happy, sustainable lives for the people that live in them. The Index uses global data on life expectancy, experienced well-being and Ecological Footprint to calculate this.“

 Ein kurzer Wechsel der Perspektive genügt und Nicaragua schnellt hoch auf den 8. Platz. (HPI). Dank der Zufriedenheit der Leute und des geringen ökologischen Fußabdrucks wird aus einem armen Land ein echter Überflieger.

Die Abhängigkeit in der Region

 Selbstverständlich ist ein angemessenes Pro-Kopf Einkommen (UNDP) für das funktionieren eines Landes unabdingbar und dessen Fehlen bereitet Nicaragua (nur 1200$ per Cap.) viele ernstzunehmende Probleme, die uns auf unserer Reise immer wieder begegnet sind.

Wir waren zum Einen mit ausgebeuteten Arbeitern auf den Zuckerrohrplantagen konfrontiert, die ihre Gesundheit für weniger als drei Dollar am Tag zerstören und dabei noch froh sind, dass sie die Arbeit haben. Zum Anderen hatten wir einen Guide, der wie so viele andere junge, gebildeten Nicas sein Glück im Ausland versuchen möchte. Er würde gern nach Chile (Platz 43), weil er die USA nicht so mag – wie so viele hier. Der Rest (meist ohne Bildung und Ausbildung) versucht sein Glück in Costa Rica und macht die Arbeit, die den Menschen dieses „reichen“ Landes (Platz 42) zu lästig geworden ist.

 Dadurch leben ca. 1,5 Millionen der 5,7 Millionen Nicas  im Ausland und tragen durch ihre zurückgesendeten Devisen einen Großteil der nicaraguanischen Wirtschaftsleistung. Das schafft Abhängigkeiten, die es vielen Entwicklungsländer schwer machen auf eigenen Füßen zu stehen.

 Besonders traurig ist, dass gerade Nicaragua es noch nicht geschafft hat, das enorme Potential des eigenen Landes voll auszuspielen. Es bietet Vieles, was andere arme und sogar vielen reichen Ländern nicht haben. Nicaragua ist fruchtbar. Nicaragua ist schön und trotzdem ein Spielball der falschen Interessen.

 Es gäbe eigentlich genug zu essen, zu zumutbaren Preisen. In der Realität bezahlt Nicaragua jedoch 80% seiner Ölimporte aus Venezuela mit den eigenen Lebensmitteln, weil es in Venezuela, einem auf den ersten Blick „reichen“ Land (Platz 69) in der Region, essentechnisch ziemlich arm aussieht. Die hungernde Bevölkerung dort, geht deshalb seit Wochen auf die Straße. Wenn es blöd läuft, muss Nicaragua aber nicht selten wieder Lebensmittel zurückimportieren und die Preise sind deshalb wesentlich höher als sie sein müssten und als es sich viele leisten können.

Warum gibt es eigentlich kein Wasser?

Ein neuer Weg zu mehr Selbstständigkeit ist sicherlich der Tourismus, der sich langsam aber stetig zu entwickeln scheint. Der Name Nicaragua steht laut Aussage eines unserer Vulkanführer für das Land der Vulkane und das Land des Wasser.

Hier ruht wahrscheinlich der größte Reichtum dieses „armen“ Landes – eine malerische Natur, die vielen aktiven Vulkane und die atemberaubenden Bademöglichkeiten, die uns auf unserer Reise begleitet haben, machen das Land zu einem begehrten Reiseziel.

 Da unsere kleine Reisegruppe in der Trockenzeit unterwegs war, war allen klar, dass Wassermangel irgendwann einmal zu einem Thema werden könnte. Das wir ausgerechnet am größte See Zentralamerikas damit konfrontiert werden würden, ist jedoch fast symbolisch für die vielen Probleme mit denen das Land zu kämpfen hat. In unserem Hotel in San Carlos einem kleinen Städtchen am Nicaraguasee, in dessen Hafen auch der Rio San Juan entspringt, herrscht Wassermangel. Wenn man am Hafen steht, sieht man soviel Wasser, dass man irritiert ist, weil es nicht salzig riecht. Dennoch gibt es nur zwei Stunden fließendes Wasser am Tag – und keiner weiß warum.

Aussicht aus dem Hafen von San Carlos (Bild- David Hollig)
Aussicht aus dem Hafen von San Carlos (Bild- David Hollig)

 Nach einem langen Tag auf dem Rio San Juan, dem Besuch eines Community Radios in der Gemeinde Boca de Sábalos, der Besichtigung der Festigungsanlage El Castillo und guten elf Stunden unterwegs in tropischer Hitze, meldete sich bei den meisten Exkursionsteilnehmern ein durchaus nachvollziehbares, westliches Hygieneverständnis – erstmal duschen.

Unsere kleine Reisegesellschaft hatte jedoch den gesamten Wasservorrat im Hotel bereits aufgebraucht. Die Wassertanks des Hotels werden immer in der Nacht von 4 Uhr bis 6 Uhr gefüllt und müssen dann den ganzen Tag reichen. Nach kurzer Diskussion fällt das Wort Reservetank und viele verschwinden im Bad.

 Bei männlichen Westeuropäern kann es aber vorkommen, dass das Bedürfnis nach etwas Rundem zu treten, auf der Bedürfnispyramide noch vor vielen anderen Grundbedürfnissen steht. Da Maslow wohl kein Fußballer war, kann man ihm diese kleine Unachtsamkeit in seinem ansonsten brauchbaren Konzept durchaus verzeihen.  Bereits wenige Minuten nach unsere Ankunft in San Carlos jagen wir mit zwei kleinen Jungs durch die Straße und kommen ziemlich schnell an unsere körperlichen Grenzen. Unseren beiden Nica-Jungs machte dabei weniger die Hitze zu schaffen, sie hatten eher Probleme sich an ihren Mitspieler zu erinnern – anscheinend sehen wir für die auch alle gleich aus.

 Nach einer guten viertel Stunde ist der Spaß vorbei und auch wir sind mehr als bereit für eine Dusche. Aber leider zu spät für den Reservetank – sorry Jungs, alles ist leer. Morgen ab 4 dann wieder. So langsam beginnen wir uns für das eigentliche Problem zu interessieren und stellen dem armen Mann an der Rezeption die einfache Frage – Warum gibt es eigentlich kein Wasser? Und das insgesamt viermal. Es muss dazu gesagt werden, dass man mit Warum-Fragen in Nicaragua ab und zu an gewisse Grenzen stoßen kann. Seine Antworten auf ein und dieselbe fielen jedenfalls so aus:

 – Es gibt kein Wasser.

– Es gibt nur zwischen 4 und 6 Wassser.

– Die Häuser rund um das Rathaus haben 3 Stunden am Tag Wasser. (Eine weitere Warum-Frage wäre wohl durchaus angebracht gewesen. Der arme Mann hatte aber noch an der Ersten zu knabbern. Ich denke die Vorzüge zur politischen Klasse zu gehören, sind aber auch an anderer Stelle deutlich geworden.)

– Keine Ahnung (Achselzucken inklusive) – Endlich geben wir uns zufrieden.

Reserve-Reserve-Tank

Wir wussten zwar dadurch nicht mehr, aber vielleicht hat es auch ihn mal zum Nachdenken/forschen gebracht. Während ich im Kopf überschlage, wie viele anderthalb Liter Flaschen abgepacktes Wasser ich wohl mit in die Dusche nehmen sollte, kommt unserem Rezeptionnisten dann doch noch eine mögliche Lösung in den Sinn. Er führt mich in einen Innenhof des Hotels, eine Mischung aus Abstellkammer und Lagerplatz, der sich am nächsten Morgen als Waschküche erweisen sollte. In der Ecke steht ein Fass mit Regenwasser und einer Schöpfkelle. Es ist dunkel genug, dass das ganze ziemlich einladend wirkt und schon die erste Schwall Wasser über den Kopf ist ziemlich belebend. – Vielleicht die beste Dusche meine Lebens.

Der Morgen danach...
Der Morgen danach…
...trotzdem gerne wieder
…trotzdem gerne wieder

Normalerweise denkt man bei exklusiven Badeerlebnissen an Milch oder Champagner. Wie dekadent es war während der Trockenzeit mit Regenwasser zu duschen kam mir allerdings erst nach ein paar Tagen in den Sinn. Im Februar fallen landesweit im Schnitt nur drei Liter Regen pro Quadratmeter. Da liegt selbst der jährliche Rumkonsum mit 3,3 Liter pro Einwohner noch ein wenig höher.

Jaja, der Rum, ein weiteres Symbol für sowohl Armut als auch Reichtum, dieses wunderschönen Landes.

Andreas